Der Muntermacher (The Eye Opener) Copyright © 1986: Hazelden Foundation. Alle Rechte vorbehalten. Für die deutsche Ausgabe: Copyright © 1998: 12&12 Verlag, Oberursel

September (wähle den heutigen Tag --- oder überlasse die Wahl dem Zufall)

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Vorwort

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Vorwort

Dieses kleine Buch ist dem Gott meines eigenen Verständnisses gewidmet. Sein Ziel besteht darin, dem Alkoholiker, der seine Krankheit zum Stillstand gebracht hat, die verschiedene Aufbauphasen der AA-Philosophie, wie sie vom Autor ausgelegt und verstanden wurde, näherzubringen. Es ist in keinem Sinne offiziell, denn AA hat keine offizielle Meinung und jedes Mitglied spricht nur für sich selbst.

Der Autor dieses armseligen Werkes ist weder ein Schriftsteller noch ein Akademiker. Seine Philosophie ist keine selbständige Eigenschöpfung und wurde aus vielen Quellen zusammengetragen.

Wenn durch dieses Buch irgendein Herz erleichtert, irgendeine Familie glücklicher oder irgendeine Seele bestärkt wird, dann wurde unser Aufwand nach unserem Empfinden reichlich belohnt.

Gedanken zum 1. September

Ein Alkoholiker ist sich seiner Unzulänglichkeiten meist bewußt, doch jeden gutgemeinten Versuch, die Angelegenheit mit ihm zu erörtern, nimmt er den anderen Menschen übel. Er weiß, daß es keine Entschuldigung gibt. Die Logik wirkt gegen ihn; seine Lügen gehen oft nach hinten los und sind deshalb unzuverlässig. Es gibt nur einen Ausweg für ihn: die Flasche. Und genau die ist das einzige, was jeder wohlmeinende Freund zu vermeiden versucht.

Es gibt nur einen einzigen sinnvollen Ansatz, um ihm näher zu kommen: Wir müssen ihm ein sichtbaren Beweis liefern, daß wir das können, was er möchte, und ihn dann mit der Tatsache vertraut machen, daß es machbar ist.

Gedanken zum 2. September

Das Geheimnis, einen beliebig großen Baum zu fällen, besteht darin, ihn Kerbe für Kerbe mit der Axt anzuschlagen.

Kein Mensch wird in die Lage versetzt, große Dinge zu vollbringen, wenn er sich nicht zuvor den Ruf verschafft hat, mit vielen kleinen Dinge gut umgehen zu können.

Wenn du dir das große Ziel gesteckt hast, mit der ganzen Welt aufzuräumen, dann wäre der beste Ansatzpunkt, mit deinem eigenen Unterhemd beginnen.

Gedanken zum 3. September

Vertrauen ist wahrscheinlich die erste natürliche Tugend, die ein Mensch erwirbt. Die Reaktionen eines Kleinkindes auf die Mutter unterscheiden sich bereits von denen eines Neugeborenen. Sie zeigen das instinktive Vertrauen, daß von allen anderen Menschen gerade sie all seine Bedürfnisse versorgen wird. Mit der Weiterentwicklung des Kindes nimmt dieses völlige Vertrauen auf die Mutter allmählich ab, und es wird zunehmend selbständiger. Es verliert das Vertrauen auf die Eltern und entwickelt Selbstvertrauen. Schließlich kommt es an dem Punkt der Entwicklung an, wo es sich völlig auf sich selbst verläßt. Wenn bei einem Menschen Alkoholismus entsteht, verliert er immer mehr Selbstvertrauen und fühlt sich schließlich völlig hilflos.

Er muß dann damit beginnen, wieder Vertrauen aufzubauen, zuerst Vertrauen auf seine Gruppe oder seinen Sponsor, dann auf das Programm selbst, und schließlich auf Gott. Wenn das erreicht ist, kehrt sein Selbstvertrauen allmählich zurück.

Gedanken zum 4. September

Die meisten Ex-Säufer erwarten zuviel, wenn sie trocken werden. Ungeduld ist ein typisches Charaktermerkmal für uns, und wir sehen nicht ein, warum wir nicht über Nacht alles zurückbekommen sollten, was wir verloren haben, und noch dazu den Arbeitsplatz mit einer Million Mark im Jahr, den andere nüchterne Leute haben.

Durch die Trockenheit bekommen wir lediglich die Gelegenheit, uns unsere Wünsche klar zu machen. Befähigung war und ist stets ein Faktor, mit dem gerechnet werden muß. Die Nüchternheit wird aus einem Kesselflicker keinen Musiker machen.

Gedanken zum 5. September

Wenn du ein Mensch bist, der gerne trinkt und sein Vergnügen aufgeben muß, um so etwas ähnliches wie Ordnung in sein Leben zu bringen, dann bist du natürlich armselig dran.

Da gibt es für dich nur ein einziges Mittel: Engagiere dich für das Programm -- sprich darüber, arbeite darin, predige es, denk darüber nach, bete dafür und lebe es -- dann wirst du auf einmal merken, daß es dir gefällt.

Gedanken zum 6. September

Die Höhe des Lohnes, den du für deine Arbeit bekommst, hängt nicht von der Anzahl der Banknoten, sondern vom Wert der Währung ab. Eine Million chinesische Yuan in barer Münze würden dir das Kreuz brechen, wenn du sie mit dir herumtragen willst, aber sie reichen vielleicht nicht einmal, um dich neu einzukleiden.

Deshalb wäre die beste Vergütung ein Lohn, mit dem du dir die Dinge kaufen kannst, die du am nötigsten brauchst und dir am meisten wünschst.

Für Dienste an deinen Nächsten gibt dir Gott Seine Schuldscheine, und die sind besser, als ein Paket Banknoten, in welcher Währung auch immer.

Gedanken zum 7. September

Kannst du dich noch daran erinnern, wie zimperlich du früher einmal warst, und alles mögliche anstelltest, um wieder einmal mit der bösen, feindlichen Welt fertig zu sein? Und wie sie dich fertig gemacht haben! An jeder Ecke haben sie dich getreten und zum Prügelknaben gemacht. Du hast unentwegt gegen den Alkohol, gegen die Menschen, einfach gegen alles gekämpft.

Schließlich kam der Tag, an dem du ein für alle Mal genug hattest: Du wurdest in die Knie gezwungen. Die Zimperlichkeit verschwand, als du kapituliertest, und mit einem Schlage wurde die Last auf deinen Schultern viel leichter. Eigentlich hast du die ganze Zeit nur gegen dich selbst gekämpft.

Gedanken zum 8. September

Bei unserer Einführung in an AA gaben uns die Freunde den Slogan "Immer mit der Ruhe"* mit auf den Weg, um uns vor dem üblen Versuch zu bewahren, uns mehr vorzunehmen, als wir verdauen können. Es gibt soviel in und um AA, daß immer die Gefahr besteht, eine Überdosis abzubekommen. Ein weiser Arzt würde gegen den Alkoholismus gerade soviel AA empfehlen, wie er auch gegen Tuberkulose verschreiben würde: Jeden Tag eine sehr kleine Dosis Medizin zur direkten Einnahme, aber sehr viel frische Luft und Sonnenschein.

* Easy Does It

Gedanken zum 9. September

Es kann keine Verbesserung in der Welt geben, wenn sich nicht die Menschen verbessern, die sie ausmachen. Und es kann keine Verbesserung im Menschen geben, außer durch bessere Taten, die durch ein verbessertes Denken und einen höheren Moralkodex begründet sind.

Neben den unmittelbaren Wohltaten, die das AA-Programm für Alkoholiker und ihre Familienangehörigen bewirkt, hat es viel dazu beigetragen, den Charakter von breiten Schichten der Gesellschaft* zu verbessern.

* Der Autor bezieht sich hier auf die nordamerikanische Gesellschaft

Gedanken zum 10. September

Nächstenliebe wäre völliger Blödsinn, wenn dieses Leben der Anfang und das Ende aller Dinge wäre. Wenn es zwischen den Menschen keine nähere Verwandtschaft gäbe, als zwischen Tieren, dann wären wir Tiere.

Wir wissen jedoch, daß ein geheimnisvolles Band alle Menschen miteinander verbindet, und die Nächstenliebe ist das beste Beispiel dafür. Da sie die Menschen über das Niveau von Tieren erhebt, bringt sie uns auch den Engeln im Himmel näher.

Gedanken zum 11. September

Wir versuchen, neben unserem alten, zerrütteten Haus ein neues zu bauen. Die Art des Hauses, das wir bauen, wird dadurch bestimmt, welche Pläne und Vorschriften wir uns im einzelnen aussuchen. Aus ein und demselben Material läßt sich sowohl ein Palast als auch ein Schuppen erbauen; der Unterschied liegt hauptsächlich am Design. Doch der Palast erfordert auf jeden Fall viel mehr Material und auch sehr viel mehr Arbeit.

Vergewissere dich bei deinem Wiederaufbau, daß das Fundament trocken, die Ecken rechtwinklig und die Mauern aufrecht und genau sind, dann wird dein Haus selbst nach deinem Tod standhalten, wenn du als Erbauer schon von uns gegangen bist.

Gedanken zum 12. September

Wenn das Geld, das wir für die Rechnungen in den Kneipen bezahlten, den Gesamtpreis für unsere Sauftouren ausgemacht hätten, dann wäre es nicht einmal zu teuer gewesen. Doch was uns wirklich die Kehle zuschnürte, war der schreckliche Preis, den wir nach der Sauferei zu zahlen hatten. Für fünfzig Mark wird dir fast jeder Wirt zehn Schnäpse ausschenken, doch wenn anschließend ein Totalschadens an deinem Wagen dabei herauskommt, können die Kosten bis zu einem erstklassigen Begräbnis ansteigen.

Gedanken zum 13. September

Trotz allem, was dagegen spricht, bestehen wir häufig noch darauf, herauszufinden, was wohl passieren würde, wenn wir uns nach einigen Monaten der Nüchternheit wieder einmal einen Schluck genehmigen würden.

Wir wissen ganz genau, daß uns ein einziger Schluck nicht reichen würde. Das war bei uns nicht einmal in den trunkensten Zeiten der Fall. Es ist uns bewußt, daß wir die Grenze von einem glücklichen zu einem zwanghaften Trinker überschritten haben. Wir kennen keinen einzigen Menschen, der damit eine befriedigende Erfahrung gemacht hat -- und doch, wir könnten ja vielleicht die Ausnahme sein.

Diese Art von Neugier hat schon so manchen Katzenjammer verursacht. Probiere es lieber nicht aus. Selbst wenn du recht behalten solltest -- du irrst dich trotzdem.

Gedanken zum 14. September

Schönheit, die nur dem Auge schmeichelt, ist hohl und nur von kurzer Dauer. Ein Gedanke kann nur dann schön sein, wenn er eine schöne Tat inspiriert. Ein Meisterwerk der Bildenden Künste ist nur dann ein Meisterwerk, wenn es Menschen zu schönen Gedanken anregt. Technische Perfektion spricht nur dann für gutes handwerkliches Geschick, wenn sie ein menschliches Bedürfnis befriedigt.

Das Schöne ist etwas, das einem schönen Zweck dient. Wenn deine Taten nicht durch edle Motive und Ziele angeregt werden, dann entgeht dir viel Schönes im Leben.

Gedanken zum 15. September

Die größten Schlachten des Lebens werden gewonnen oder verloren, ohne daß ein einziger Schuß abgefeuert wird. Angenommen, Jesus Christus hätte Seinen Kampf mit dem Satan verloren, als Ihn jener in Versuchung führte: Das hätte stärkere Auswirkungen gehabt, als alle Schlachten der Geschichte.

Dein größter Sieg, der Moment, als du den größten Mut in deinem Kampf gegen den Alkohol zeigtest, spielte sich nicht mit fliegenden Fahnen und schmetternden Trompetenklängen ab, sondern still und leise in deinem eigenen Herzen.

Wenn ein Mensch einen harten Kampf durchfochten hat und merkt, daß er gegen etwas Unbesiegbares angeht, ist das Mutigste, was er tun kann, seine Niederlage einzugestehen und sich geschlagen zu geben. General Robert E. Lee war für seinen Mut berühmt, und durch seine Kapitulation bei Appomattox wurde sein Ruf nicht um den kleinsten Deut geschmälert.

* Lee, Robert Edward (1807-1870), Stratege und General der Südstaaten und militärischer Berater von Jefferson Davis, dem Präsidenten der Konföderation, gewann 1862/63 zahlreiche Schlachten im amerikanischen Bürgerkrieg, bis er bei Gettysburg in Nordvirginia geschlagen wurde und am 9. April 1865 im Gerichtsgebäude von Appomattox, einem Dorf in Virginia, gegenüber General Ulysses S. Grant kapitulierte. Mit seiner Kapitulation war der amerikanische Bürgerkrieg beendet. Das Gerichtsgebäude ist heute ein Museum und liegt 5 km vom modernen Stadtkern entfernt.

Gedanken zum 16. September

Das Hauptanliegen beim Reden ist, etwas zu sagen und nicht bloß irgend etwas. Worte zeigen ein echteres Bild von einem Menschen als eine Fotografie, denn Worte spiegeln sein Inneres wieder, das sich selbst mit der feinsten Kamera nicht einfangen läßt.

Die meisten von uns Alkoholikern sind durch ihre eigenen Worte mehr verletzt worden als durch die Worte von anderen. Jetzt wollen wir lieber erst einmal nachdenken und schauen, wie es in unseren Köpfen aussieht, damit wir nur die Worte zum Ausdruck bringen, die das Produkt eines nüchternen und vernünftigen Verstandes sind.

Gedanken zum 17. September

Viele Leute bei AA nehmen die Feststellung allzu wörtlich, wenn sie hören, "es gibt bei uns keine Beitrittsgebühren und Mitgliedsbeiträge".

AA gibt es nicht umsonst -- es kostet eine Riesenmenge: Es braucht deine Zeit, dein Geld, deine Gedanken und deine Gebete. Jeden Tag gibt dir AA sehr viel Kraft für dein Leben, doch es fordert auch eine Menge tägliches Leben von dir.

Wenn du mit AA knauserst, dann bescheißt du dich selbst.

Wer ein Pferd für sich arbeiten lassen will, der muß es auch füttern.

Gedanken zum 18. September

Eine tiefe Stichwunde muß von innen nach außen heilen, sonst bildet sich frisches Zellgewebe über der Wunde und verhindert die notwendige Ableitung der Wundflüssigkeit aus den Körperhöhlen darunter. Eine Blutvergiftung wäre die Folge, die im gesamten Körper zirkulieren würde.

Spirituelle Besserung wirkt in der gleichen Weise. Wenn es nur eine oberflächliche Kur ist, bleibt das Gift im Herzen und im Gemüt, unser gesamtes Leben wird in Mitleidenschaft gezogen und unser Charakter wird angesteckt, es sei denn, ein moralischer Eingriff wird vorgenommen.

Das AA-Programm ist eine moralische Behandlungsmethode, in der wir süchtige und kranke Gedanken aus unserem tiefsten Innern entfernen und somit vollständig geheilt werden.

Gedanken zum 19. September

Wenn du ein einziges Wort schreist -- "Hilfe" -- dann wirst du damit mehr Leute herbeilocken, die dich retten wollen, als mit einer langen und sprachgewandten Rede über deine Bedürfnisse. Wenn Gott -- so, wie du Ihn verstehst -- ein persönlicher Gott ist, der alle göttlichen Eigenschaften in unendlicher Fülle besitzt, dann kennt Er deine Bedürfnisse schon lange bevor du sie mit deiner schwerfälligen menschlichen Intelligenz bemerken kannst. Das Geheimnis des Betens besteht nicht im langen oder häufigen Rezitieren biblischer Phraseologien, sondern in einfachen Worten, die mit demütigem, reuevollem Herzen und in der hoffnungsvollen Erwartung ausgesprochen werden, daß die Bitte erhört wird. Die Erkenntnis der unendlichen Liebe, zu der wir uns bekennen, wird all die Dinge bewirken, die Er in Seiner Weisheit am besten für uns hält.

Gedanken zum 20. September

Die Probleme von Hinterwäldlern sind für sie ebenso groß und zahlreich, wie deine Probleme für dich. Allerdings bekommen Hinterwäldler selten einen Nervenzusammenbruch, weil sie keine "Experten" haben, die sie von ihren gegenwärtigen Sorgen dadurch kurieren, indem sie irgendwelche Dinge ausgraben, von denen ihre Klienten nie im Leben vermutet hätten, daß sie verkehrt sein könnten und ihnen somit einen nagelneuen Topf voller Sorgen andrehen.

Häufig quälen wir uns solange mit unseren Sorgen herum, bis wir am Ende beim Psychiater landen, und dann fangen die Sorgen erst richtig an, wenn wir die Rechnung bekommen.

Gedanken zum 21. September

Wenn wir nur einen einzigen Wunsch frei hätten, würden sich sicherlich viele von uns wünschen, keinen freien Willen mehr zu haben. Fast all unsere Schwierigkeiten in der Vergangenheit waren darauf zurückzuführen, daß wir darauf bestanden, das zu tun, was wir wollten. Für uns Alkoholiker waren unsere Wünsche überwältigend, und wir opferten alles andere, um sie zu befriedigen.

Wenn wir wirklich klug sind, dann wird es in Zukunft unser aufrichtigster Wunsch sein, nicht das zu bekommen, was wir wollen, sondern lieber das, was Gott für uns will.

Gedanken zum 22. September

Wir Alkoholiker hatten unser Weltbild so weit eingeengt, daß unser Horizont über uns selbst und unsere engsten Interessen nicht mehr hinaus reichte. Wir besaßen nur wenige Interessen, die außerhalb der Reichweite unserer Hand oder jenseits der Sichtweite unserer Augen lagen. Alles, was darüber hinausging, wurde in eine andere Welt verbannt, die völlig von uns abgetrennt war. Einmal abgesehen von unserer Wirkung als Störfaktor, ist es kein Wunder, daß die Welt keinen weiteren Gedanken mehr für uns verschwendete als für einen Marsmenschen, denn wir waren genau wie dieser auf einem völlig anderen Planeten.

Gedanken zum 23. September

Im Zwölften Schritt erfahren wir, daß wir versuchen sollten, "die Botschaft an andere Alkoholiker heranzutragen", aber erst, nachdem wir "ein spirituelles Erwachen als Ergebnis dieser Schritte" gehabt haben.

Nimm bitte zur Kenntnis, daß hier nicht von "Verstehen" sondern von "spirituellem Erwachen" die Rede ist. Man braucht kein Sprachwissenschaftler zu sein, um jedes einzelne dieser zweihundert Wörter in seiner Bedeutung zu verstehen. Sogar ein zehnjähriges Kind kann begreifen, was die Worte eigentlich aussagen wollen, doch nur dann, wenn wir eine spirituelle Erfahrung gemacht haben, können wir ihren tieferen Sinn einsehen.

Erst wenn wir diese spirituelle Erfahrung besitzen, haben wir uns das Programm voll und ganz zu eigen gemacht, und wenn es uns noch nicht gehört, dann steht fest, daß wir es auch noch nicht weitergeben können.

Gedanken zum 24. September

Wir alle verbüßen hier auf der Erde eine Strafe, und das ist ein hartes Los, weil wir nicht nur lebenslänglich dazu verurteilt sind, sondern am Ende zum Sterben verdammt sind. Wir können natürlich ein paar Vorrechte für gutes Benehmen bekommen, doch selbst damit wäre es eine hoffnungslose Situation, wenn uns keine Hoffnung durch die Inspiration der Bibel in Aussicht gestellt wäre.

Aufgrund dieses heiligen Buches können wir über unser Gefängnis hinwegsehen und uns den Frieden vor Augen führen, der jenseits dieser Mauern liegt.

Gedanken zum 25. September

Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, so gut zu sein, wie Gott ihn gemacht hat. Der Grund, warum er das nicht zeigt, ist einzig und allein der, daß er diese Tatsache unter einem Berg der Selbstsucht begraben hat.

Es war schon immer ein fehlgeleiteter Versuch des Menschen, einzig und allein seinen eigenen Vorteil zu suchen, und damit hat er sich selbst stets den schlechtesten Dienst erwiesen.

Je näher ein Mensch sich selbst ist, desto weiter ist er von Gott und der Welt entfernt. Je weiter er von Gott und der Welt entfernt ist, um so mehr rückt auch Gottes Segen und das Glück der Welt in weite Ferne.

Gedanken zum 26. September

Hier ein paar berühmte letzte Worte: "Wenn ich nur noch einen einzigen Schluck trinken könnte, dann würde ich aufhören." -- "Lieber Gott, laß mich noch dieses eine Glas austrinken und ich werde keinen einzigen Tropfen mehr anrühren." -- "Ein Glas Bier wird mir schon nicht schaden." -- "Schließlich bin ich nüchtern, da brauche ich doch keine Meetings mehr." Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Andauernd verkaufen wir uns selbst für dumm, und dann heulen wir uns die Augen aus, sobald wir merken, daß wir uns wieder einmal selbst beschissen haben, und wir sagen: "Das war doch aber nicht mein Fehler, versteht ihr das denn nicht?... -- Hätte meine Frau bloß nicht... -- Wenn mein Chef nicht... -- wenn, wenn, wenn..."

Gedanken zum 27. September

Mit dem Ersten Schritt des AA-Programms krabbelten wir Alkoholiker wie Babys ins Leben. Im Zweiten Schritt lernten wir, aufrecht wie ein Mensch zu stehen. Im Dritten Schritt begannen wir zu laufen, um mit der Welt Schritt zu halten. Der Vierte Schritt brachte uns ins Taumeln. Der Fünfte Schritt war ein einziges Stolpern und Fallen. Und im Zwölften Schritt standen wir endlich mit beiden Beinen fest auf der Erde.

Wenn wir nach dem Fünften Schritt fielen, was geschah dann eigentlich zwischen dem Fünften und dem Zwölften Schritt? Frag mich nicht. Ich bin auch nur ein Alkoholiker. Wahrscheinlich hatte ich gerade ein Blackout. Achte gut auf deine Schritte -- sie sollen dich schließlich irgendwohin führen!

Gedanken zum 28. September

Wir hatten das Vergnügen, einige Leute intim kennenzulernen, die man heute gut und gerne dem "Orden der Muße" zuordnen könnte. Und in was für einer Tretmühle sie früher meist waren! Sie rackerten sich oft nächtelang ab, um sich selbst in eine derartige Klemme zu bringen, daß ein ganzes Bataillon von Rechtsanwälten erforderlich wurde, um sie am nächsten Tag da wieder heraus zu pauken.

Wer seine Mußestunden wirklich nutzen will, der muß schon ein ganzer Mensch sein.

Gedanken zum 29. September

Wir AA-Mitglieder tragen eine enorme Verantwortung. Bei unserer Arbeit im Zwölften Schritt müssen wir die persönlichsten Dinge mit einem Hilfesuchenden erörtern, der gerade erst neu hinzugekommen ist. Diese Informationen werden uns in äußerster Verzweiflung anvertraut und sollten höchst vertraulich behandelt werden. Achtlosigkeit in dieser Hinsicht kann unter Umständen eine Menge Schaden anrichten und das ist mitunter auch schon vorgekommen. Wir sollten unsere gemeinsamen Gespräche auf das beschränken, was die tatsächlichen Trinkprobleme der Neuen beinhaltet, denn das ist sowieso der einzige Bereich ihrer Problematik, in dem wir sie wirksam beraten können. Diese persönlichen Dinge unterliegen der strengsten Vertraulichkeit, und sie müssen mit der gleichen Verschwiegenheit behandelt werden, wie die Beichte in der Kirche.

Gedanken zum 30. September

Unsere AA-Philosophie ist eine idealistische Weltanschauung. Sie muß idealistisch sein, wenn sie eine glückliche Philosophie sein will. Manchen Leute behaupten, das sei zuviel verlangt, und wir würden die materialistischen Gegebenheiten ignorieren. Ziehen wir doch einfach all das Gute aus unserer Philosophie heraus und freuen uns über das, was sie uns verspricht! Warum wollen wir denn unser Gold gleich einem Säuretest unterziehen?

Vielleicht ist unsere Weltanschauung in den Augen der eher materialistischen Welt tatsächlich unrealistisch und dumm. Aber was heißt das schon? Schließlich befähigt sie uns, glücklicher zu sein als diejenigen, die sich eines gesunden Menschenverstandes rühmen.

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1998-09-14