Dieses kleine Buch ist dem Gott meines eigenen Verständnisses gewidmet. Sein Ziel besteht darin, dem Alkoholiker, der seine Krankheit zum Stillstand gebracht hat, die verschiedene Aufbauphasen der AA-Philosophie, wie sie vom Autor ausgelegt und verstanden wurde, näherzubringen. Es ist in keinem Sinne offiziell, denn AA hat keine offizielle Meinung und jedes Mitglied spricht nur für sich selbst. Der Autor dieses armseligen Werkes ist weder ein Schriftsteller noch ein Akademiker. Seine Philosophie ist keine selbständige Eigenschöpfung und wurde aus vielen Quellen zusammengetragen. Wenn durch dieses Buch irgendein Herz erleichtert, irgendeine Familie glücklicher oder irgendeine Seele bestärkt wird, dann wurde unser Aufwand nach unserem Empfinden reichlich belohnt. Gedanken zum 1. August Je verzweifelter ein Mensch ist, und je mehr er unser Programm braucht, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß er es packt. Das ist schon vielen von uns aufgefallen. Wahre Verzweiflung schenkt uns die Kraft zur Veränderung. Ein Mensch, der mit dem Rücken an der Wand steht, muß sich einen Ausweg aus seinem Engpaß erkämpfen, oder er muß sterben. Da gibt es keine Alternative. Nur ein Feigling verdrückt sich aus Verzweiflung, doch ein Alkoholiker kann eigentlich kein Feigling sein, sonst hätte er das ungleiche Spiel schon längst aufgegeben, lange bevor sich sein Alkoholismus voll entwickeln konnte. Ja, man braucht wirklich Mut, um sich aus der Gosse empor zu kämpfen, und ein Mensch muß sowohl tapfer als auch verzweifelt sein, um einen Ausweg aus dem Teufelskreis zu finden. Gedanken zum 2. August Die wahre Grundlage von AA beruht auf der Freundlichkeit, die wir dem leidenden Alkoholiker entgegenbringen, doch oft wirft sich die Frage auf, worin denn eigentlich das freundliche Vorgehen besteht. Um freundlich zu sein, müssen wir mitunter Dinge tun, die als grausam angesehen werden mögen. Es gibt Anlässe, bei denen es ein Akt der Freundlichkeit ist, einen Menschen einzusperren: Nämlich wenn er drauf und dran ist, sich selbst oder andere zu verletzen. Manchmal müssen drastische Schritte unternommen werden, um jemanden davon abzuhalten, daß er im angetrunkenen Zustand mit seinem Auto fährt. Gelegentlich kann es das Beste für ein Menschen sein, wenn sein Boß ihn feuert oder seine Familie ihn verläßt. Oft werden wir in derartigen Angelegenheiten um Rat gefragt. Aber wer sind wir eigentlich? Wie könnten wir in solchen Fällen eine Entscheidung treffen? Nur Gott kennt die Antwort, und es ist am besten, die Anfrage an Ihn weiterzuleiten. Gedanken zum 3. August Ein Gebildeter kennt die Dinge, aber ein Weiser kennt die Menschen. Man kann unmöglich das Leben kennen, ohne über die einzelnen Menschen Bescheid zu wissen, die unser Leben ausmachen. Der Mensch ist kein Ding -- er besitzt eine Vielfalt guter und schlechter Charakterzüge, die ihn von seinen Mitmenschen unterscheiden. Jeder Einzelne von uns wird durch das Gute und das Böse beeinflußt, ob wir es wahrnehmen oder nicht. Wenn wir mit nahestehenden Bekannten verkehren, tauschen wir unweigerlich einige Charakterzüge aus. Deshalb achte gut darauf, mit wem du dich einläßt, denn wenn deine Freunde nicht sauber sind, bleibt vielleicht auch deine Weste nicht rein. Gedanken zum 4. August Es läßt sich beinahe als Regel verallgemeinern, daß kein Mensch im Leben das erreicht, was er einst in seiner Jugend vorhatte. Die Allüren von Teenagern lassen sich selten verwirklichen. Abgesehen von all unseren Plänen läßt sich hingegen mit ziemlicher Sicherheit sagen, daß wir an dem Platz sind, der für uns vorgesehen war und die Dinge tun, die für uns bestimmt sind, ob es uns nun gefällt oder auch nicht. Offensichtlich bestimmen wir nicht den Lauf der Welt. Wenn all unsere Wünsche erfüllt worden wären, dann hätten wir wahrscheinlich in unserem Leben ein noch viel schrecklicheres Durcheinander verursacht und uns in einen viel größeren Flop hineingesteigert, als es ohnehin schon der Fall ist. Egal, welchen Platz wir im Leben einnehmen, wir können Gott nur jeden Tag dafür danken, daß es für uns nicht schlimmer gekommen ist. Gedanken zum 5. August Wenn wir uns in unserer Saufzeit mit einem Problem konfrontieren mußten, dann versuchten wir irgendwie, darum herumzukommen, einen Tunnel darunter hindurch zu treiben, darüber hinweg zu springen oder davor davonzulaufen. Wir kamen jedoch nie auf die Idee, den Unannehmlichkeiten ins Auge zu sehen und geradewegs hindurch zu marschieren. Es ist bemerkenswert, wie läppisch eine Schwierigkeit erscheinen kann, wenn ein Mensch, der die Bereitschaft und den Willen besitzt, sie auf sich zu nehmen, ihr von Angesicht zu Angesicht gegenübertritt. Probier es einmal aus! Gedanken zum 6. August Kein Mensch ist von Natur aus in der Lage, die öffentliche Meinung völlig zu verachten. Jeder von uns leidet unter Kritik, und wir lieben alle den Applaus. Wir können niemandem dafür Vorwürfe machen, weil er es genießt, daß ihm geschmeichelt wird. Doch wie dem auch sei, weder der Beifall noch die Kritik der Öffentlichkeit sind in jedem Fall verdient, und deshalb sollten wir solange mit Vorsicht darauf reagieren, bis uns auch die kleine Stimme in unserem Herzen beipflichtet, denn nur sie kennt uns wirklich mitsamt unseren Leichen im Keller. Gedanken zum 7. August Mit dem Dienst am Nächsten endet das ewige alte Lied, das davon singt, wie schwer es sei, weiterzuleben. Das Leben war immer schon schwer, und das nicht nur für Alkoholiker, sondern für alle Menschen schlechthin. Davon wird seit Beginn der Geschichtsschreibung berichtet, und davor war es vermutlich noch schlimmer. All die Menschen, die uns rings herum umgeben, empfinden genau wie wir, daß die Anforderungen des Lebens über ihre kümmerlichen Kräfte bei weitem hinausgehen. Das ist unsere Chance. Wir entdecken, daß wir ihnen die Last des Lebens erleichtern können, und damit paradoxerweise auch die Last auf unseren eigenen Schultern leichter wird. Dann erscheint uns das Leben plötzlich nicht mehr so bitter und nimmt eine Liebenswürdigkeit von himmlischen Dimensionen an. Gedanken zum 8. August Einige von uns benutzen AA wie ihre Kleidung: als rein äußerliche Verschönerung, als Schutz, und um das zu verstecken, was darunter ist. Es gibt jedoch auch viele von uns, die sich der Lebensweise von AA so hingebungsvoll widmen, daß sie ihr gesamtes Auftreten beherrscht und alles andere in den Hintergrund tritt. Wenn wir solche Menschen sehen, dann achten wir nicht so sehr darauf, ob sie einen grauen Anzug oder ein blaues Kleid tragen, sondern mehr auf ihre Persönlichkeit, die einen Charakter ausstrahlt, der durch die einfache Lebensformel, die wir in unseren Zwölf Schritten finden, verschönert worden ist. Gedanken zum 9. August Bei ihren ersten Bemühungen, das Programm in den Griff zu bekommen, wissen die Neuen häufig nicht, wie sie anfangen sollen. Sie haben das Gefühl, daß ihre Einstellung gegenüber Gott und ihren Mitmenschen so völlig verkehrt gewesen ist, daß sie scheinbar unzählige Dinge tun müssen. Doch im Großen und Ganzen läßt sich das eigentlich in einem ganz kurzen Satz zusammenfassen: Verhalte dich deinen Mitmenschen gegenüber einfach so, als ob Gott dich sieht, und gegenüber Gott so, als ob dir deine Mitmenschen zusehen. Gedanken zum 10. August Da es so gut wie unmöglich ist, völlig anonym zu bleiben, bringt unsere Mitgliedschaft bei AA eine schwerwiegende Verantwortung mit sich. Einst waren wir Säufer, und das sind wir nun nicht mehr. All unsere Freunde und Nachbarn wissen das. Früher oder später werden sie dir Fragen deshalb stellen, und sofern du ihnen eine verständliche Antwort geben möchtest, wirst du deine Mitgliedschaft bei AA zugeben müssen. Danach werden wir ständig als AA-Mitglieder wahrgenommen. Somit wird AA von hoffnungsvollen und doch auch skeptischen Menschen ständig auf die Probe gestellt, und im gleichen Maße, wie wir unsere Ziele erreichen oder sie verfehlen, wird auch AA erfolgreich sein oder versagen. Bewahre deine Anonymität so gut du kannst, doch wo das nicht möglich ist -- da nimm die Interessen von AA nach bestem Wissen und Gewissen wahr. Gedanken zum 11. August Keiner von uns hat jemals einen Menschen persönlich kennengelernt, der gestorben ist und dann mit Gewißheit in den Himmel kam. Da, wie es heißt, alle Menschen Sünder sind, ist anzunehmen, daß selbst der heiligste Mensch ein paar versteckte Leichen im Keller hat, entweder ein paar Unterlassungssünden, oder auch irgendwelche Freveltaten, die er begangen hat. Allerdings kennen wir viele Fälle von Menschen, die durch ihre Alkoholkrankheit lebendig begraben waren und dann zurückgekommen sind, um hier auf Erden einen kleinen Himmel für sich und ihre Nächsten zu erschaffen. Gedanken zum 12. August Viele Nichtalkoholiker, die unsere Krankheit nicht kennen, hielten uns Saufbrüder für faule Herumtreiber. Sie wissen nichts über die systematische Planung, die erforderlich ist, um das Geld für eine Flasche Schnaps aufzutreiben, wenn du pleite bist. Sie übersehen, das eine Zwölf-Stunden-Schicht im Betteln und Schnorren häufig nicht genug abwirft, um uns den nötigen Stoff, ein bißchen zu essen und eine Absteige für die Nacht zu sichern. Der Vorwurf, daß wir faul waren, ärgert uns -- wir arbeiteten viel härter und bekamen viel weniger Anerkennung für unsere Bemühungen als die Leute, die auf irgendeiner Gehaltsliste standen. Nein, ganz im Ernst, das war damals eine harte Arbeit mit schlechter Bezahlung und lausigen Lebensbedingungen. Gedanken zum 13. August Die Männer und Frauen in deiner Gruppe, die den Großteil der Arbeit tun, beschweren sich selten. Dafür haben sie keine Zeit, denn sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, ihre und deine Pflicht zu tun. Zum Meckern bleibt ihnen einfach keine Zeit. Wenn die Dinge nicht so laufen, wie du es wünschst, dann liegt das vielleicht daran, daß du nichts tust, um "die Dinge zu ändern, die du ändern kannst". Gedanken zum 14. August Wenn du zu denjenigen zählst, die denken, daß sie noch nicht die Fähigkeit besitzen, vor der versammelten Gruppe zu sprechen oder ein wenig im Zwölften Schritt zu arbeiten, dann versuche es erst einmal mit ein paar anderen AA-Aktivitäten. Wenn du ein Telefon hast, kannst du jederzeit einen Neuling anrufen, und einfach mit ihm über ein paar belanglose Dinge reden. Wenn du ein Auto hast, kannst du dich mit irgend jemandem verabreden, der sonst keine so guten Beförderungsmöglichkeiten hat, und ihn mit ins Meeting nehmen. Als Mann kannst du auch einmal einer alleinstehende Mutter anbieten, auf ihre Kinder aufzupassen, wenn sie sonst nicht ins Meeting gehen kann. Es gibt eine Menge Dinge, die du tun kannst, wenn du es versuchst. Seinerzeit hast du gedacht, du könntest nicht mit dem Trinken aufhören, aber du konntest es trotzdem. Gedanken zum 15. August Häufig versuchen Leute, die in AA nichts weiter tun, als das erste Glas stehen zu lassen, unsere Botschaft an andere Alkoholiker heranzutragen. Dabei vergessen sie, daß sie nichts weitergeben können, was sie nicht besitzen. Wenn du die Lebensweise von AA weitergeben möchtest, dann mußt du auch nach der Lebensweise von AA leben. Die Tatsache, daß du trocken bist, bedeutet noch lange nicht, daß du auch im Programm lebst. In Wirklichkeit gibt es außerhalb von AA eine Menge Leute, die auf weitaus längere Abstinenzphasen zurückblicken können, als irgendein AA-Mitglied. Manche von ihnen haben damit schon lange vor der Gründung von AA angefangen. Ob jemand zu AA gehört oder nicht, wenn die Abstinenz das einzige ist, was er besitzt, dann ist er in meinen Augen nur ein staubtrockener Säufer, und weiter nichts. Gedanken zum 16. August Manchmal stellen wir in AA an uns selbst die Tendenz fest, daß wir in unseren Beziehungen für Menschen, die noch Schwierigkeiten haben, mit der Zeit immer weniger Toleranz und Verständnis aufbringen. Wir sind schon so lange von unseren akuten Leiden befreit, daß uns das Verständnis dafür ein wenig verloren geht. Das ist genau der richtige Moment, in dem wir uns den schlimmsten Fall herauszugreifen können, den wir nur finden, um wieder in den alten Trott zurückzufinden. Wir können es uns nicht leisten, zu vergessen, daß auch wir Alkoholiker sind und ohne die Gnade Gottes in genau der gleichen üblen Verfassung wären. Unser letzter Schluck mag vielleicht viele Jahre hinter uns liegen, doch der nächste Schluck liegt immer nur eine einzige Armeslänge vor uns. Paß auf, daß du den Kontakt zu der gemeinsamen Sache nicht verlierst! Gedanken zum 17. August Wie überraschend es auch in den Ohren einiger Mitglieder klingen mag: Bei AA gibt es keine Mitgliedschaft erster, zweiter oder dritter Klasse. Allen nüchternen Mitgliedern wird die gleiche Achtung entgegengebracht, ob sie nun seit 24 Stunden, seit 24 Monaten oder seit 24 Jahren trocken sind. Selbstverständlich soll niemand diskriminiert werden, doch es ist ganz natürlich, daß wir uns manchmal von einem anderen Menschen oder von einer Gruppe innerhalb der Gruppe stärker angezogen fühlen. Aber wir haben alle die gleiche Schuld auf uns geladen, egal, ob wir nun solange gesoffen haben, bis wir alles verloren hatten oder schon ziemlich früh aufhörten. Letztendlich waren wir alle Säufer und jeder brachte den gleichen Geruch mit, als er neu hinzukam. Gedanken zum 18. August Als wir aus der Gosse gekrochen kamen, wollten wir vor allem Filz und Schmutz vermeiden. Wenn wir körperlich aus dem Dreck herauskommen, mit unseren Gedanken jedoch weiter darin verweilen, wird das unweigerlich zu Schwierigkeiten führen. Wenn du mit deinem Kopf immer noch in der Gosse steckst, hast du nur deinen Körper in Sicherheit gebracht. Du mußt von Kopf bis Fuß in das klare Wasser Gottes eintauchen, wenn du deine Nüchternheit absichern willst. Etwas an deinem Suchtverhalten ändern zu wollen, ohne dein Denken zu bereinigen, ist, als ob du ein Bad nimmst und dabei vergißt, dir die Füße zu waschen. Gedanken zum 19. August Die Zeitungen berichteten, daß Dr. Bob am 19. November 1950 starb, doch wir AAs wissen es besser. In den dankbaren Herzen von Millionen Alkoholikern lebt er weiter und wahrscheinlich noch in den Herzen von mindestens dreimal so vielen Alkoholikern, die heute noch an der Flasche hängen. Er wird für immer weiterleben, denn er war der Begründer von etwas Gutem, und das Gute wäret ewiglich. Ein kalter, harter Grabstein ist der falsche Platz für seinen Namen, der sich in die Herzen einer wachsenden Menge dankbarer Menschen eingeprägt hat. Gedanken zum 20. August Vor einer Weile hatte ich das Gefühl, ich müßte über die Geldbeträge Buch führen, die ich anderen Leuten bei verschiedenen Gelegenheiten ausgeliehen hatte: weil sie pleite waren, damit sie ihre Kleidung aus der Pfandleihe auslösen konnten oder damit sie sich neue Zähne kaufen konnten, weil sie ihr Gebiß auf der letzten Sauftour zerbrochen oder im Klo hinuntergespült hatten. Die Gesamtsumme begann überraschende Ausmaße anzunehmen, und ich wurde sehr unglücklich -- und zwar so unglücklich, daß ich die ganze Buchführung zerrissen habe. Und jetzt bin ich wieder glücklich. Gedanken zum 21. August Es gibt niemanden, der dümmer ist, als ein Mensch, der meint, alles zu wissen -- nicht einmal Gott kann solch einen Menschen belehren. Unter Alkoholikern ist das ein häufiges und typisches Merkmal und bildet eines der größten Hindernisse für die Genesung. Ein demütiges Herz und ein offenes Ohr sind die besten Voraussetzungen, um unser Programm zu begreifen. Wir müssen eine Menge umlernen, bevor wir bereit sind, mit dem Erlernen dieser neuen Lebensweise zu beginnen. Gedanken zum 22. August Wäre Dr. Bob im Mai 1935 gestorben, dann wäre er als Versager von uns gegangen -- als ein Mann, der seine jahrelange Ausbildung und seine außergewöhnlichen Fähigkeiten vergeudet hätte, ein hoffnungsloser Fall und eine Enttäuschung für seine Familie, seinen Berufsstand und für sich selbst. Dr. Bob lebte jedoch noch fünfzehn Jahre weiter, und er erreichte in dieser kurzen Zeitspanne bei der Behandlung des heimtückischen Leidens des Alkoholismus mehr als sein gesamter Berufsstand zuvor. Von Medizinern wurden Trinker wie Versuchskaninchen behandelt. Doch Dr. Bob blickte in die Herzen und Seelen der Menschen. Er begriff schnell, daß der körperliche Aspekt der Krankheit der unwichtigste war und von allen Ursachen am wenigsten Bestand besaß. Gedanken zum 23. August Alkoholismus wird heutzutage als Krankheit anerkannt, und diese Erkenntnis bewirkte unzählige Studien und Experimente seitens der Ärzte, Wissenschaftler, Erzieher, Arbeitgeber usw. Spezialkliniken wurden eingerichtet, und es wurde mit neuen Medikamenten, neuen Behandlungsmethoden und neuen Therapien experimentiert. Es gibt beinahe ebenso viele Theorien wie Alkoholiker. Und es gibt beinahe ebenso viele Mißerfolge wie Theorien. AA ist keine Theorie, sondern eine bewiesene Tatsache. Gedanken zum 24. August Wenn ein AA-Mitglied seine erste Inventur zur Hand nimmt und mit seiner letzten vergleicht, und dann mit ehrlichem Gewissen sagen kann: "Ich bin jetzt nicht mehr derjenige, der ich einmal war," dann hat er ein deutliches Stadium der Genesung erreicht. Wenn die nächste Inventur noch mehr Verbesserung zeigt, dann lebt er eindeutig im Programm. Wenn dieser Fortschritt immer weiter geht, bis es nichts mehr zu verbessern gibt -- dann schau 'mal unter die Oberfläche. Gedanken zum 25. August Wenn wir denken -- wirklich denken -- dann wird unser Leben kontrollierbar, und wenn wir Gott dafür danken, daß er dieses Denken für uns ermöglichte, dann wird unser Leben mit ziemlicher Sicherheit kontrollierbar bleiben. Diese beiden Worte -- denken und danken -- können für uns als Alkoholiker beinahe unsere gesamte Philosophie enthalten. Denk' nach, bevor du den ersten Schluck trinkst, und dann danke Gott, daß du es nicht getan hast. Gedanken zum 26. August In glühender Begeisterung geben wir uns mit Haut und Haaren dem Leben in der AA-Bewegung hin und wenden viel Energie dafür auf. Wir melden uns bei jeder Gelegenheit zu Wort, wir rasen durch die Gegend, bis uns schwindlig wird, um die Botschaft an Menschen heranzutragen, die uns anrufen, doch dabei vernachlässigen wir manchmal den Menschen, auf den es uns am meisten ankommt: uns selbst. AA ist zu unserer Muskulatur geworden. Um an sich selbst heranzukommen, sind stille Meditationen, täglich angewandte Gebete und eine umfassende Beschäftigung mit dem Programm und mit uns selbst vonnöten. Gedanken zum 27. August Niemand bezweifelt die Tatsache, daß exzessives Trinken ein Übel ist. Jeder Alkoholiker ist davon überzeugt, daß es für ihn ein notwendiges Übel ist. Er meint, wenn er nicht trinkt, würde er sicherlich sterben. Wir wissen jetzt, daß es uns nur notwendig erschien, solange wir unser Denken an unserem Appetit ausrichteten. Es gibt kein Übel, das im gleichen Sinne notwendig ist, wie etwa physikalische Reibung. Ohne die letztere gäbe es keine Haftung, und ohne Haftung könnten wir uns weder vorwärts noch rückwärts bewegen. Gedanken zum 28. August Praktisch jeder Mensch besitzt das unbewußte Ziel, aus jedem Tag seines Lebens das Beste zu machen. Das ist einfach eine innere Überzeugung, und mit jeder Handlung führt sie Tag für Tag unweigerlich zu einem neuen Höhepunkt. Das ist unglaublich einfach, genau wie AA. Warum sollten wir es nicht versuchen? Es ist doch das, was wir im Grunde unseres Herzens sowieso wollen. Gedanken zum 29. August Das Verhältnis zwischen einer Stunde und der Lebensspanne eines Menschen ist vergleichbar mit dem Verhältnis eines Ziegelsteins zu einem Haus. Jeder Stein muß in einem gesonderten und eigenständigen Arbeitsgang gelegt werden und trotzdem mit den vorherigen und folgenden Ziegeln so verankert werden, daß alle genau waagerecht und senkrecht liegen. Jeder einzelne Stein ist eine Ganzheit in sich selbst, doch alle Steine unterstützen sich gegenseitig und werden voneinander getragen. Mit unseren Stunden, die wir eine nach der anderen erleben, ist es ganz genauso. Schönheit, Stärke und Dauer unseres Lebens werden durch all die einzelnen Stunden und ihren gesamten Zusammenhang bestimmt. Gedanken zum 30. August Du kannst nicht schwimmen wie ein Fisch, rennen wie ein Windhund, kämpfen wie ein Tiger und auch nicht fliegen wie ein Vogel. Jeder einzelne unserer fünf Sinne wird von irgendeinem Geschöpf aus dem Tierreich übertroffen. Es gibt viele Lebewesen, die uns Menschen körperlich überlegen sind, und es gibt nur einen einzigen Grund, warum die Menschheit nicht schon seit langem ausgestorben ist: Weil nämlich nur sie allein die Kraft der Vernunft besitzt. Durch diesen Vorteil kann der Mensch Schiffe bauen, die schneller als die Fische schwimmen, Autos, die alle Windhunde überholen, Waffen, die jeden Tiger besiegen und Flugzeuge, die schneller als die schnellsten Vögel fliegen. Mit dieser Vernunft kann sich der Mensch vorstellen, was hinter all der Natur steckt und sich somit eine Kraft zugänglich machen, die größer ist, als er selbst und all die Mächte, mit denen er zu kämpfen hat. Gedanken zum 31. August Selbst die alten Hasen bei AA werden immer wieder in Erstaunen versetzt, wenn sie von dem Hilferuf irgendeines Alkoholikers ereilt werden, und sich dann plötzlich herausstellt, daß das betreffende Sorgenkind ein Nachbar, Verwandter, Freund oder Kollege ist. Mitunter kommt es vor, daß der Neue sein Problem nicht mit einem Menschen erörtern möchte, der ihm nahesteht, sondern lieber mit einem Fremden. Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß einige von uns nur sehr zögerlich eine Gelegenheit ergreifen, um die Botschaft weiterzugeben. Wenn du einen Menschen siehst, der gerade untergeht und offensichtlich nicht schwimmen kann, würdest du dann auch erst solange warten, bis er um Hilfe schreit? Es könnte ja vielleicht ein Taubstummer sein.
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